Die Jahre 1972-1983 - Aus dem OFC Jahrbuch 2000/2001
von Antje Hagel
6:0 Tore, 2:0 Punkte und 48 blaue Flecken
Mit den Frauen des 1. FFC Frankfurt wurden im Jahr 2000 auch einige ehemalige OFC-Spielerinnen DFB-Pokal-“Sieger”. Ein Teil der heute im Hintergrund und/oder am Spielfeldrand agierenden Frauen und Männer hatte sich bereits bei den Kickers einen Namen gemacht: Die Trainerin Monika Staab garantierte mehrere Jahre für die hohe Torausbeute bei den Kickers-Damen, Annelie “Shorty” Hauptvogel, heute Schatzmeisterin beim 1 .FFC, kann sogar 9 aktive Jahre unter anderem als Torfrau beim OFC nachweisen und Sonja Böhm ist inzwischen Co-Trainerin der 3. Mannschaft des 1 .FFC. Werner Hix war in den 70er Jahren Stadionsprecher am Bieberer Berg und hat heute das Mikro am Brentanobad in der Hand. Und Ruth Sperk, ehemalige Spielführerin beim OFC, packt zu, wo Not an der Frau ist, so zum Beispiel bei der Fan-Post des 1. Frauen-Fußball-Clubs Frankfurt.
Die Frauen der ersten Stunde hatten damals einen Erzrivalen: die Mannschaft von SG “Oberst Schiel”. Der Frankfurter Schützenverein – genannt nach einem Offizier im Burenkrieg – hatte bereits 1968 eine Frauen-Fußball-Mannschaft gegründet und damit Pionierarbeit in Sachen Frauen-Fußball in der Nachkriegszeit geleistet. In den frühen 30er Jahren hatte es bereits Frauen-Fußball in Deutschland gegeben. In der Nazizeit wurde nicht mehr gespielt und auch in der Zeit nach 1945 fanden nur vereinzelt Frauen-Fußball-Spiele statt. 1955 verbot der DFB offiziell und unter Androhung von Strafe den Vereinen die Ausrichtung von Frauen-Fußball-Spielen. Erst 1971 gestattete der DFB nach langem Ringen wieder die Austragung von Frauen-Fußball-Spielen.
Von 1972 bis 1983 also insgesamt 11 Jahre existierte die Damen-Fußball-Abteilung des OFC. Mit dem Wechsel der kompletten 1. Frauen-Fußball-Mannschaft der SG Rosenhöhe zu den Offenbacher Kickers begann die Zeit der “Lady-Kickers”, wie die Frauen sich selbst nannten. Die Kickers waren schon des- halb interessant, weil ein großer Verein Unterstützung bot, die ein Verein wie die SG Rosenhöhe nicht leisten konnte. So stellte der Verein den Frauen immer mal wieder einen Bus zur Verfügung, ebenso wie Trikots oder Bälle oder gab kleinere Zuschüsse für weiter entfernte Fahrten. Zudem garantierten die Kickers einen ordnungsgemäßen Spiel- und Trainingsbetrieb. Vom Namen Kickers Offenbach profitierten allerdings eher die gegnerischen Mannschaften, denn “auf dem Land” wurden solche Spiele zu Publikumsmagneten, wo hingegen zu Hause kaum mit Zuschauern gerechnet werden konnte.
Während Monika Staab zu Beginn ihrer fußballerischen Karriere erst 11 Jahre alt war, konnte Ruth Sperk bereits 21 Jahre vorweisen. Da es damals keine Mädchenmannschaften gab, spielte Monika Staab bei den Damen des OFC. Allerdings mußte sie sich anfangs auch noch ein Jahr älter machen, denn erst 12jährigen war dies gestattet. Beide Frauen begannen – wie viele der “OFC-Lady-Kickers” – als Straßenfußballerinnen. Vater Staab sagt man nach, daß er mehr zu Bruch gegangene Fensterscheiben ersetzen mußte, als mancher Vater eines Sohnes. Ruth Sperk hingegen hatte mit ihren Brüdern auf der Straße gekickt und kam über die Damenmannschaft der SpVgg Neu Isenburg zum Vereinskicken.
Ruth Sperk war zu jenem Zeitpunkt bereits verheiratet und hatte eine Tochter. Und sie betont, daß es gerade die Ehemänner der Spielerinnen waren, die der Mannschaft die meiste Unterstützung entgegenbrachten. So kam Toni Sperk bald nicht mehr umhin zu erkennen, daß seine Frau die bessere Fußballerin war: “Hör mal zu: In unserer Familie spielt nur einer Fußball und das bin ich” hatte die kleine Frau ihrem Gatten verkündet, der sich zunehmend seinem zweiten Hobby widmete und so zum Haus- und Hoffotografen der Frauen-Fußball-Mannschaft der Offenbacher Kickers wurde.
Gut angesehen war der Frauenfußball damals nur bei Wenigen. Wieviel beispielsweise der Hessische Fußballverband auf den Frauenfußball gab, zeigte sich, als die OFC-Damen 1976 den Hessen-Pokal gewannen und nur einen schmucklosen Teller mit dem Aufdruck “Sportschule Grünberg” einer jeden Spielerin überreicht wurde. Ruth Sperk: “Den hat mein Mann ganz schnell im Küchenschrank eingeräumt…” Glücklicherweise ließ Werner Hix, damals noch Stadionsprecher am Bieberer Berg, auf eigene Kosten einen Pokal anfertigen und so konnte der Sieg angemessen gefeiert werden.
Von den Trainern sollen hier Karl und Hannelore Penzel, Otto Gilberg und Karl-Heinz Kohls genannt werden. Karl und Hannelore Penzel waren mit den Spielerinnen von der SG Rosenhöhe zum OFC gewechselt. Während er als Schiedsrichter über die Offenbacher Stadtgrenzen hinaus bekannt war, machte sich seine Frau als Betreurin/Managerin und 1. Klassenleiterin im Bezirk Frankfurt im Frauenfußball einen Namen. Bereits auf der Rosenhöhe hatte die Damen-Mannschaft samt ihrer Trainer zwei Mal ein Internationales Turnier um den “Walter-Frank-Pokal” ausgerichtet und mußten sowohl 1971 als 1972 den Pokal an TuS Wörrstadt überreichen.
Mit Otto Gilberg als Trainer gewannen die OFC-Damen das VII. Internationale Frau- en-Fußball-Tunier 1976 in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Daneben wurden die OFC-Frauen wie schon erwähnt in jenem Jahr erstmals Hessenpokal-Sieger. In der Bezirksklasse Frankfurt belegten die Damen 1976 (Die Saison ging für Frauen damals von März bis Oktober) den dritten Platz.
Im ersten Spiel der neugeschaffenen Bezirksklasse Frankfurt gewannen die OFC-Frauen: “6:0 Tore, 2:0 Punkte und 48 blaue Flecken,” wie es Ruth Sperk auf den Punkt brachte. “Es war schon ein ungemein hartes Spiel, in dem es schon in den ersten Minuten eine gelbe Karte für Praunheim gab,” schrieb die Offenbach Post damals. Ab März ’76 wurde also zum ersten Mal die Meisterschaft in der Bezirksklasse Frankfurt ausgespielt: Die Mannschaften waren TSV Dudenhofen, SG Praunheim, FSV Frankfurt, SG Oberst Schiel, Kickers Offenbach, SG Rodheim/TS. Und in dieser neuen Leistungsklasse spielten Mannschaften um die Meisterschaft, die bis heute zu den stärksten in Deutschland zählen. Der TSV Dudenhofen stieg damals wieder in die Kreisklasse ab und die SG Oberst Schiel hingegen spielte als Bezirksmeister um die Hessenmeisterschaft.
Der damalige OFC-A-Jugend-Betreuer und heutige OFC-Jugendleiter Karl-Heinz Kohls hatte nach dem Rück- tritt von Otto Gilberg ursprünglich nur für wenige Monate zugesagt, den Trainerposten zu übernehmen. Aus den an- gedachten drei Monaten wurden schließlich neun. Nicht zuletzt deshalb, weil sich in dieser Saison nicht mehr am Kalenderjahr orientiert wurde, sondern wie bei den Männern vom 1 .August bis zum 31. Juli gezählt wurde. Unter Kohls fußballerischer Führung konnten sich die OFC-Frauen in der Saison 1977/78 das Double holen: Hessenpokal und Hessenmeisterschaft, was zur Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft berechtigte. Nach einem 1:0 gegen Meteor 06 in Berlin und einem 2:0 in Offenbach setzten sich die Kickers-Frauen im Viertelfinale gegen Westfalens Meister TSV Siegen (2:1 und 1:1) durch. Im Halbfinale gegen Saarmeister FC Hellas Marpingen mußte man sich mit einem 1:1 und 1:2 vor 1.300 Zuschauern geschlagen geben. So erreichten die OFC-Frauen den dritten Platz in der Deutschen Meisterschaft.
Schon in der Vorbereitung zur Deutschen Meisterschaft hatte es Gerüchte um die “Verpflichtung” von Beverly Ranger gegeben. Die schwarze Stürmerin war bereits in der ARD zur “Torschützin des Monats” gekürt worden und hatte sowohl beim SC Bonn als auch beim FC Bergisch Gladbach gespielt. Im November 1978 spielte sie zum ersten Mal für die Kickers, ohne jedoch groß aufzufallen. Dies holte sie im zweiten Spiel nach, gegen SV 09 Somborn schoß sie drei von acht Toren zum 8:0. Beverly Ranger war bei den Kickers die erste und wahrscheinlich auch die letzte Frau, der der Verein eine Wohnung und eine Arbeitsstelle besorgte. Darüber hinaus hatte sie einen Vertrag mit dem Sportartikelhersteller Puma und wurde in den Medien zum Superstar gemacht. Nach nur wenigen Spielen verließ sie allerdings den OFC Richtung FSV Frankfurt.
Der Erfolg der OFC-Frauen hatte seinen Preis: hatten sie vor wenigen Jahren nur einmal, wenn es hoch kam zwei Mal in der Woche trainiert, setzten die Trainer mitunter drei Trainingseinheiten in der Woche an. Bedenkt man die Belastung der Frauen mit Familie, Beruf oder Ausbildung und die weiten Anfahrtswege von einigen der Spielerinnen, dann wundert es nicht, daß immer mehr Frauen aufgaben. Auch konnte keine Spielerinnen auf ähnliche Unterstützung zählen wie Beverly Ranger. Deshalb suchten sich die stärker motivierten Frauen in dieser Zeit zunehmend neue Vereine. Interimsmäßig hatte Otto Gilberg wieder das Training übernommen und letztlich konnte die Trainersuche nicht erfolgreich abgeschlossen werden.
Somit wurde es ruhig um die Frauen-Mannschaft des OFC. Monika Staab hatte bereits 1976 den OFC Richtung SG Oberst Schiel verlassen und nun folgte z. B. Marion Pfeifer, die nach Bad Neuenahr wechselte, während Margit Wenzel und Ingrid Grüneberg zurück nach Flörsheim gingen. 1979 folgte dann Torfrau Hanne Koch, die ihre Fußball-Karriere zugunsten der Karriere als Handball-Nationalspielerin aufgab. Wie oft hatte sie nach Heimspielen der OFC-Damen noch schnell das Trikot der Handballerinnen von Rot-Weiß Babenhausen und später von Grün-Weiß Frankfurt übergezogen und dort auch noch maßgeblich zum Sieg beigetragen. Andere gaben den Fußballsport ganz auf. Zudem mußte die geschwächte Mannschaft auch noch hinnehmen, daß zwei der Spielerinnen Mütter wurden und zumindest für eine Weile ausfielen.
Ruth Sperk erinnert sich gerne an die ganzen Jahre zurück: Als man sich manchmal in der Backstube des Cafe Staab in Dietzenbach traf, jeder brachte mit, was man für eine Pi-zza so braucht und irgendwann gegen morgen tauchte Vater Staab auf, der in seiner Back-stube die Brote für den nächsten Tag backen wollte.
Aufs Feiern verstanden sich die Kickers-Damen sowieso aufs Beste. Ihre Feste waren so berühmt und berüchtigt, daß sich unter den Gästen immer wieder auch Vereinsverantwortliche fanden, ebenso wie Sportjournalisten und andere dem Frauen-Fußball Wohlgesonnene. Langjährige Begleiter der Frauen-Fußball-Mannschaft der Offenbacher Kickers waren: Erich Müller (Offenbach Post), Karl-Heinz Kohls und ebenjener Werner Hix, der heutige Stadionsprecher des l. FFC.
Erst vor kurzem fand eine große Feier statt. Mehr als 150 Jahre haben die drei Damen auf dem Buckel, die ins Cafe Staab luden, um zu feiern und es kamen viele. Sowohl Kickers-Verantwortliche, ehemalige und aktuelle, als auch ein Großteil der ehemaligen Mannschaft. Ruth Sperk spricht von einem großen Zusammenhalt, “da weiß ich, wenn ich Hilfe brauche, dann kann ich immer welche anrufen, die stehen auf der Matte”.
Quelle: Jahrbuch Kickers Offenbach 2000/2001, S. 107-112