Die Jahre 1972-1983 - Aus der Festschrift des OFC zur 100-Jahr-Feier 2001
von Antje Hagel
"In unserer Familie spielt nur einer Fußball"
Von 1972 bis 1983 (also insgesamt elf Jahre) existierte die Damen-Fußball-Abteilung des OFC.
Die erste Mannschaft im Frauen-Fußball konnte folgenden Erfolge in dieser Zeit erreichen: 1976 Hessen-Pokal-Sieger und Sieger beim VII. Internationalen Turnier des SC 07 Bad Neuenahr, 1977/78 Hessen-Pokal-Sieger und Hessenmeister sowie 3. in der Deutschen Meisterschaft.
Die Zeit der „Lady-Kickers“, wie die Frauen sich selbst nannten, begann mit dem Wechsel der kompletten ı. Frauen- Fußball-Mannschaft der SG Rosenhöhe zu den Offenbacher Kickers. Die Kickers waren schon deshalb der attraktivere Verein, weil sie wegen ihrer Größe mehr Unterstützung boten, als es sich ein Verein wie die SG Rosenhöhe leisten konnte. So stellten die Kickers den Frauen immer mal wieder einen Bus zur Verfügung, ebenso wie Trikots oder Bälle oder es gab auch mal einen Zuschuß für weiter entfernte Fahrten. Zudem garantierten die Kickers einen ordnungsgemäßen Spiel- und Trainingsbetrieb. Vom Namen Kickers Offenbach profitierten allerdings eher die gegnerischen Mannschaften, denn „auf dem platten Land“ waren solche Spiele sehr gut besucht, wo hingegen zu Hause mit wenigen Ausnahmen kaum mit Zuschauern gerechnet werden konnte.
Als erste Übungsleiter sind hier zunächst zu nennen: Karl und Hannelore Penzel. Sie waren mit den Spielerinnen von der SG Rosenhöhe zum OFC gewechselt. Während Karl Penzel als Schiedsrichter über die Offenbacher Stadtgrenzen hinaus bekannt war, machte sich Hannelore Penzel als Betreuerin/Managerin und ı. Klassenleiterin im Bezirk Frankfurt im Frauenfußball einen Namen. Bereits auf der Rosenhöhe hatte die Damen-Mannschaft samt ihrer Trainer zwei Mal ein Internationales Turnier um den „Walter-Frank-Pokal“ ausgerichtet. Allerdings mußten sie sowohl 1971 als auch 1972 den Pokal an TuS Wörrstadt, dem späteren ersten Deutschen Meister im Frauen-Fußball, überreichen.
Die Frauen der ersten Stunde hatten damals einen großen Rivalen: die Mannschaft der SG „Oberst Schiel“. Der Frankfurter Schützenverein — genannt nach einem Offizier im Burenkrieg — hatte bereits 1968 eine Frauen-Fußball-Mannschaft gegründet und damit Pionierarbeit in der Nachkriegszeit geleistet.
Zwar hatte es in den frühen 30er Jahren bereits Frauen-Fußball in Deutschland gegeben, aber in der Nazizeit wurde nicht mehr gespielt und auch in der Zeit nach 1945 fanden nur vereinzelt Frauen-Fußball-Spiele statt. 1955 verbot der DFB sogar offiziell und unter Androhung von Strafe den Vereinen die Ausrichtung von Frauen-Fußball-Spielen und erst nach langem Ringen gestattete der DFB 1971 seinen Vereinen wieder die Austragung von Frauen-Fußball-Spielen.
Die jüngste war elf Jahre alt
Während Monika Staab, die heutige Trainerin und ı. Vorsitzende des ı. FFC Frankfurt, zu Beginn ihrer fußballerischen Karriere erst elf Jahre alt war, konnte Ruth Sperk (überall die Jahre Mannschaftskapitänin der ı. Frauen-Fußball-Mannschaft des OFC) bereits 21 Lebensjahre vorweisen. Da es damals keine Mädchenmannschaften gab, spielte Monika Staab bei den Damen des OFC mit. Allerdings mußte sie sich anfangs noch „ein Jahr älter machen“, denn erst 12-Jährigen war dies gestattet. Ruth Sperk war zu jenem Zeitpunkt bereits verheiratet und hatte eine Tochter. Und sie betont, daß es gerade die Ehemänner der Spielerinnen waren, die der Mannschaft die meiste Unterstützung entgegenbrachten. So kam Toni Sperk bald nicht mehr umhin zu erkennen, daß seine Frau die bessere Fußballerin war: „Hör mal zu: In unserer Familie spielt nur einer Fußball und das bin ich“, hatte die kleine Frau ihrem Gatten verkündet, der sich zunehmend seinem zweiten Hobby widmete und so zum Haus- und Hoffotografen der Frauen-Fußball-Mannschaft der Offenbacher Kickers wurde. Die zwei Frauen begannen – wie viele der „OFC-Lady-Kickers“ – als Straßenfußballerinnen. Andere kamen vom Handball, manche allerdings begannen gar erst als Erwachsene Fußball spielen zu lernen.
Gut angesehen war der Frauen-Fußball damals nur bei wenigen. Wieviel beispielsweise der Hessische Fußballverband auf den Frauen-Fußball gab, zeigte sich, als die OFC-Damen 1976 den Hessen-Pokal gewannen und nur einen schmucklosen Teller mit dem Aufdruck „Sportschule Grünberg“ einer jeden Spielerin überreicht wurde. Ruth Sperk: „Den hat mein Mann ganz schnell im Küchenschrank eingeräumt…“ Glücklicherweise ließ Werner Hix, damals noch Stadionsprecher am Bieberer Berg (heute Stadionsprecher und Sponsor beim ı. FFC), auf eigene Kosten einen Pokal anfertigen und so konnte der Sieg doch noch angemessen gefeiert werden. Gefeiert haben die Lady-Kickers gerne und ausführlich. Und in der zweiten Hälfte der 70er Jahren hatten die Frauen auch allen Grund dazu.
Mit Otto Gilberg als Trainer gewannen die OFC-Damen 1976 das VII. Internationale Frauen-Fußball-Turnier in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Dieses Turnier galt mit 40 Mannschaften als das größte der Welt. Daneben wurden die OFC-Frauen, wie schon erwähnt, in jenem Jahr erstmals Hessenpokal-Sieger.
Die erfolgreichen Jahre
Ab März 76 (die Saison ging für Frauen damals noch von März bis Oktober) wurde zum ersten Mal die Meisterschaft in der Bezirksklasse Frankfurt ausgespielt. Im ersten Spiel der neuen Klasse gegen die SG Praunheim holten sich die OFC-Frauen „6:0 Tore, 2:0 Punkte und 48 blaue Flecken“, wie es Ruth Sperk auf den Punkt brachte. „Es war schon ein ungemein hartes Spiel, in dem es schon in den ersten Minuten eine gelbe Karte für Praunheim gab“, schrieb die Offenbach Post damals.
In der Bezirksklasse Frankfurt trat man außerdem gegen folgende Teams an: TSV Dudenhofen, FSV Frankfurt, SG Oberst Schiel und die SG Rodheim/TS. Genau betrachtet spielten in dieser neuen Leistungsklasse Mannschaften um die Meisterschaft, die zum Teil bis heute zu den stärksten in Deutschland zählen, wie z. B. die SG Praunheim und der FSV Frankfurt. Nur der TSV Dudenhofen stieg damals wieder in die Kreisklasse ab, die OFC-Damen belegten den dritten Platz und die SG Oberst Schiel spielte als Bezirksmeister um die Hessenmeisterschaft 1977.
Im Frühjahr 1977 trat Otto Gilberg vom Trainerposten zurück. Der damalige OFC-A-Jugend-Betreuer und langjährige OFC-Jugendleiter Karl-Heinz Kohls sagte deswegen übergangsweise zu, den Trainerposten zu übernehmen. Aus den angedachten drei Monaten wurden aber schließlich neun. Nicht zuletzt deshalb, weil sich ab dieser Saison nicht mehr am Kalenderjahr orientiert wurde, sondern die Spielzeit wie bei den Männern vom 1. Juli bis 30. Juni lief. Unter Kohls fußballerischer Führung konnten sich die OFC-Frauen in der Saison 1977/78 das Double holen: Hessenpokal und Hessenmeisterschaft, was zur Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft berechtigte. Nach dem 1:0 Hinspiel-Sieg in Berlin, gegen Meteor 06 Berlin in Berlin, und einem 2:0 im Rückspiel in Offenbach standen die Frauen im Viertelfinale.
Karl-Heinz Kohls hatte sich im Spiel gegen Meteor 06 Berlin etwas ganz besonderes ausgedacht, die Offenbach Post sprach von den „zwei Tricks des Trainer Kohls“. Vor 900 Zuschauern am Bieberer Berg stand Torfrau Hanne Koch in ihrem Kasten und ließ bis zur 42. Minute kein Gegentor zu. Doch dann beorderte sie Trainer Kohls in den Sturm und setzte dafür Ersatztorhüterin „Shorty“ Hauptvogel ein. Die Handballerin Hanne Koch machte es der Abwehrreihe von Meteor schwer und erzwang in der 48. Minute einen Foulelfmeter. Das war das 1:0. In der Verlängerung nach 60 Minuten kam es dann zum erlösenden 2:0, als die Berliner Torfrau Groß den Ball im Torraum nicht unter Kontrolle bekam, Sonja Strauch zu Ingrid Grüneberg spitzelte und diese aus kurzer Distanz den Ball im Meteor-Netz unterbrachte. Danach ging Hanne Koch wieder zurück in ihren Kasten und hielt ihn bis zum Schluß sauber. So hatte Karl-Heinz Kohls dafür gesorgt, daß sein vor dem Spiel abgebener Tip tatsächlich Wirklichkeit wurde – 2:0 für die Ladykickers.
Die Viertelfinalspiele gegen Westfalens Meister TSV Siegen endeten 2:1 und 1:1. Im Halbfinale gegen Saarmeister FC Hellas Marpingen (1:1 und 1:2) wurden die OFC-Frauen vor 1300 Zuschauern immerhin 3. in der Deutschen Meisterschaft. Deutscher Meister wurden dann die Frauen vom SC Bad Neuenahr, die 2:0 und 1:0 im Finale gegen FC Hellas Marpingen gewannen.
Viel Aufregung um Beverly Ranger
Schon in der Vorbereitung zur Deutschen Meisterschaft hatte es Gerüchte um die „Verpflichtung“ der Jamaikanerin Beverly Ranger gegeben. Die Stürmerin war bereits in der ARD zur „Torschützin des Monats“ gekürt worden. Am 26.4.1975 schoß sie das Tor des Monats im Entscheidungsspiel um die Mittelrheinmeisterschaften der Frauen, Bonner SC – SSG Bergisch Gladbach, in der 45. Minute zum 1:1 (Endstand 2:1 für ihr Team, die Bonner) Bevor Beverly Ranger zu den Kickers wechselte, hatte sie sowohl beim SC Bonn als auch beim FC Bergisch Gladbach gespielt. Im November 1978 spielte sie zum ersten Mal für die Lady-Kickers, ohne jedoch groß aufzufallen. Dies holte sie im zweiten Spiel nach, gegen SV 09 Somborn schoß sie drei Tore beim 8:0-Endstand.
Beverly Ranger war bei den Kickers die erste und bislang auch die letzte Frau, der der Verein eine Wohnung und eine Arbeitsstelle besorgte. Darüber hinaus hatte sie einen Vertrag mit dem Sportartikelhersteller Puma und erhielt durch ihre ungewöhnlich hohe Präsenz in den Medien fast schon den Status eines Stars. Nach nur wenigen Spielen verließ sie allerdings den OFC Richtung FSV Frankfurt. Heute arbeitet sie in den USA als Fußball-Jugendtrainerin.
Eine schöne Zeit ging zu Ende
Der Erfolg der OFC-Frauen hatte seinen Preis: hatten sie vor wenigen Jahren nur einmal, wenn es hoch kam zwei Mal in der Woche trainiert, setzten die Trainer mitunter drei Trainingseinheiten in der Woche an. Bedenkt man die Belastung der Frauen mit Familie, Beruf oder Ausbildung und die weiten Anfahrtswege von einigen der Spielerinnen, dann wundert es nicht, daß immer mehr Frauen aufgaben. Auch konnte keine Spielerin auf ähnliche Unterstützung zählen wie Beverly Ranger. Deshalb suchten sich die stärker motivierten Frauen in dieser Zeit zunehmend neue Vereine. Kommissarisch hatte Otto Gilberg wieder das Training übernommen und letztlich konnte die Trainersuche nicht erfolgreich abgeschlossen werden.
Somit wurde es ruhig um die Frauen-Mannschaft des OFC. Monika Staab hatte bereits 1976 den OFC Richtung SG Oberst Schiel verlassen und nun folgte z. B. Marion Pfeifer, die nach Bad Neuenahr wechselte, während Margit Wenzel und Ingrid Grüneberg zurück nach Flörsheim gingen. 1979 folgte dann Torfrau Hanne Koch, die ihre Fußball- Karriere zugunsten der Karriere als Handball-Nationalspielerin aufgab. Oft hatte sie nach Heimspielen der OFC-Damen schnell das Trikot der Handballerinnen von Rot-Weiß Babenhausen und später von Grün-Weiß Frankfurt übergezogen und dort auch noch maßgeblich zum Sieg beigetragen. Andere gaben den Fußballsport ganz auf. Zudem mußte die geschwächte Mannschaft auch noch hinnehmen, daß zwei der Spielerinnen Mütter wurden und zumindest für eine Weile ausfielen.
Ruth Sperk erinnert sich gerne an die ganzen Jahre zurück. Die Feste der „Ladykickers“ waren „berühmt und berüchtigt“, so daß sich unter den Gästen immer wieder auch Vereinsverantwortliche fanden, ebenso wie Sportjournalisten und andere dem Frauen- Fußball Wohlgesonnene.
Aber nicht nur wegen der legendären Partys, die zusammen gefeiert wurden oder Bestandteil so mancher Auswärtsfahrt waren, sondern auch wegen des sprichwörtlichen Zusammenhalts der Mannschaft schwört Ruth Sperk auf ihre kickenden Kolleginnen: „Da weiß ich, wenn ich Hilfe brauche, dann kann ich immer welche anrufen, die stehen auf der Matte!“
Heute kann man viele der Kickers- Frauen beim ı. FFC Frankfurt treffen; die groß gewachsene Annelie „Shorty“ Hauptvogel mit der Spielerpaßnummer 125 ist dort Schatzmeisterin, Sonja Böhm trainiert die dritte Mannschaft beim ı. FFC, und Helga Breddin hingegen ist den Kickers als Fan erhalten geblieben.
Seit fast zwei Jahrzehnten gibt es nun keinen Frauen-Fußball mehr auf dem Bieberer Berg, und das, obwohl gerade in dieser Zeit die Anerkennung der Leistungen des Frauen-Fußballs enorm gestiegen ist. Nur einmal, im Sommer 96, kam kurz das Gerücht auf, die Fußballerinnen des FSV Frankfurt würden geschlossen zu Kickers Offenbach wechseln. Schade eigentlich, daß es dabei blieb, denn mit der Gründung einer Frauenmannschaft würde ein Deutscher Meistertitel für den OFC vielleicht ein wenig näher rücken.
Quelle: Offenbacher Fussball-Club Kickers 1901 (Hrsg.): Kickers Offenbach – Die ersten hundert Jahre, Offenbach a.M. 2001, S. 189-191.